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Aktuelles
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Psychosoziale Kampfkunst für verfolgte Frauen

Das Angebot ist eine Fortsetzung des Pilotprojektes von 2009, siehe unten zu Konzept,
Auswertung und Video.




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Kampfkunst für politisch verfolgte Frauen

erfolgreich abgeschlossen! Fortsetzung möglich, Anmeldung erwünscht. 
Siehe unten Auswertung mit Video-Illustration


Ein dreimonatiges Einführungsprojekt von Inter Homines
in Zusammenarbeit mit > WingTsun-Schule M. Schneider und > XENION

Von 04. Mai – 13. Juli 2009, wöchentlich montags, 18 Uhr

Im Garten des > Hauses der Diakonie
Paulsenstraße 55-56, 12163 Berlin-Steglitz

  


Auswertung

> Zum Video

(Das Illustrationsvideo enthielt ursprünglich auch Aufnahmen von Übungen mit Klientinnen.         Allerdings wollten diese dann doch nicht im Internet erscheinen.)     
                      
Die unten ausgeführte Konzeption erwies sich im dreimonatigen Einführungsprojekt als sehr sinnvoll und hilfreich: Wie im Video beispielhaft gezeigt wird, kamen die Teilnehmerinnen durch die Kampfkunst-Übungen spielerisch und wohldosiert mit aggressiv besetzten Situationen in Kontakt. Das ist förderlich für Menschen, die durch Gewalterfahrungen traumatisiert und deren gesunde Selbstverteidigungsfähigkeit dadurch oftmals beeinträchtigt wurde. Die im Video gezeigten körperlichen Konzentrations- und Entspannungsübungen (Siu Nim Tao und ChiKung) helfen dann, das Erlebte gut zu integrieren. Die Teilnehmerinnen berichten, dass die Übungen ihnen Spaß gemacht und sie körperlich und seelisch aufgelockert hätten, was bei schwer traumatisierten Frauen bereits ein bemerkenswerter Erfolg ist. Zudem war zu beobachten, dass dadurch mental stärkende Erlebensbereiche erschlossen werden, die in der sonstigen psycho-
sozialen Praxis kaum zugänglich sind.
                               
An der Gruppe nahmen bis zu zehn Frauen und Mädchen teil, allerdings war die Resonanz auf das Angebot insgesamt nicht ausreichend. Dies liegt an der mangelnden Vertrautheit mit psychosozial angewandter Kampfkunst, sprachlichen, interkulturellen und geschlechts-
bezogenen Barrieren sowie organisatorischen Widrigkeiten wie Terminprobleme, lange Weg-
strecken und Fahrtkosten.

Inter Homines zieht aus all dem die Konsequenz, Fördergelder für ein einjähriges Kampfkunstprojekt für politisch verfolgte Frauen und Mädchen zu beantragen. Aller-
dings geschieht dies erst, wenn sich mindestens 15 Interessentinnen verbindlich für das geplante Projekt angemeldet haben. Interessierte wenden sich dafür bitte an den
> Inter-Homines-Kontakt.



Hintergrund


Politisch traumatisierte Frauen haben extreme Ohnmachtserfahrungen erlebt und überlebt. Beispielhaft seien Frauen aus dem Kosovo genannt. Ende der 80er Jahre spitzte sich dort die „Serbisierungspolitik“ zu: Koso­vo-Albaner/innen wurden aus Politik, Recht, Gesundheit, Bildung ausgegrenzt, Repressalien ausgesetzt, und es kam zu gewalttätigen Übergriffen. Anfang der 90er Jahre begannen die Balkankriege. Im Kosovo wurden von serbischen Milizen regelmäßig Hausdurchsuchungen nach Männern und Waffen durchgeführt. Dabei wurden die Männer meistens verprügelt, oft auch gefoltert und umgebracht. Die Frauen wurden geschlagen und belästigt, häufig vergewaltigt. Die Männer mussten oft fliehen, die Frauen blieben mit den Kindern al­lein zurück und waren diesem Terror jahrelang ausgesetzt. 1998 begann der Kosovo-
krieg, mit brutalsten Vertreibungen und Grausamkeiten gegen die albanische Bevölkerung. Wer nach Deutschland fliehen konnte, fand auch hier nicht wirklich Schutz und Sicherheit: Die Flüchtlinge erhielten jahrelang sogenannte „Ketten­duldungen“, d.h. Ihr Aufenthalt wurde immer nur jeweils um Monate verlängert. So konnte weder die trau­matische Vergangenheit bearbeitet noch eine wirkliche Zukunftsperspektive entwickelt werden.

Ähnliches ließe sich von verschiedenen anderen Ländern berichten. Wenn die betroffenen Frau-
en ihre Trau­matisierung mit eigenen Worten beschreiben, sagen sie öfter: „Seit der Misshand-
lung ist etwas in mir zer­brochen, ich bin nicht mehr derselbe Mensch“, „Danach fühlte ich mich wie wahnsinnig“, „In meinen Alp­träumen kehrt diese schreckliche Situation immer wieder zurück“.


Angebot

Der Kern politischer Traumatisierung sind extreme Ohnmachtserfahrungen. Deshalb sind Erfahrungen von Ermächtigung / Empowerment wichtig, um das Trauma zu überwinden oder wenigstens abzuschwächen. Kampfkunst ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, aus einer passiven Opferhaltung herauszufinden, sich zu ermächtigen und eine Empowerment-Haltung einzunehmen. Denn das Training verläuft über eine Schulung des Körpers, die dann als Gei-
steshaltung verinnerlicht werden kann. Kampfkunst hat daher ein hohes trau­matherapeutisches Potenial.

Vor diesem Hintergrund soll mit politisch traumatisierten Frauen > Wing Tsun (siehe > Video 1, > Video 2) geübt werden. Dieses Angebot ist für Frauen wichtiger als für Männer, da Frauen meistens über weniger Sozialisationser­fahrungen in Selbstverteidigung verfügen. WT bietet sich hier besonders an, weil es der Legende nach von einer Frau, der Nonne Ng Mui, erfunden wurde und weil der Name Wing Tsun nicht zufällig ein chinesischer Frauenname ist, der "Schöner Frühling" bedeutet: Seine Bewegungsabläufe sind besonders „weiblich“, weich und dabei hoch-
effektiv. Es ist für ein traumatherapeutisches Pro­gramm zudem besonders geeignet, weil es nicht nur bestimmte Kampftechniken vermittelt, sondern auf drei Ebenen angelegt ist: (1) kör-
perliche Selbstverteidigung, (2) Strategie und Taktik, (3) Selbstvervollkomm­nung. Wing Tsun ist insofern nicht nur eine Kampfkunstschulung, sondern auch eine Lebensschulung, die sich zu (trauma)therapeutischen Prinzipien – vor allem der Überwindung von Rückzug und Passivität – gut in Beziehung setzen lässt.


Risiken

Zugleich muss beachtet werden, dass bei politisch traumatisierten Frauen die Gefahr der Trauma-Reaktivie­rung besteht: Trainingssituationen können an erlittene Gewalterfahrungen erinnern und das Trauma wieder in überwältigender Weise ins Bewusstsein rufen. Deshalb wird das Training mit diesem Klientel viel vorsichtiger und schonender durchgeführt als üblicher-
weise. Entspannungselemente im Training, wie warming up, Ge­sundheits-Siu-Nim-Tao, Dehn- und Atemübungen, WT-ChiKung, meditative Musik, Theorie u.a., werden besonders betont.


Chancen

Auf der anderen Seite bieten Erinnerungen an Gewalterfahrungen auch die Chance zur Trauma-
integration.
Denn wenn die ursprüngliche Situation durch seelisch verletzende Ohnmacht und Kontrollverlust gekenn­zeichnet war, bietet die Trainingssituation die Möglichkeit, nachträglich wieder Kontrolle darüber zu erlan­gen. Die traumatische Erinnerungsspur kann dadurch positiv verändert werden. Um diesen Prozess der Traumabearbeitung zu begleiten und zu fördern, werden bei Bedarf auch Einzelgespräche angeboten. Da es sich aber zunächst nur um einen dreimonatigen Einführungskurs handelt, wird die traumapsychologische Dimension äußerst zurückhaltend und vorsichtig behandelt.


Rahmenbedingungen

Am Kampfkunstprojekt für politisch traumatisierte Frauen können bis zu 20 Personen teil-
nehmen, die über die verschiedenen Facheinrichtungen in Berlin erreicht werden. Auch die Töchter können teilnehmen. Voraussetzungen zur Teilnahme sind ausrei­chende Deutschkennt-
nisse, psychosoziale Grundversorgung in einer Facheinrichtung und hinreichende psychophy-
sische Stabilität.

Das Projekt ist als Einführungskurs konzipiert, der anschließend ausgewertet wird. Eventuell kann später ein länger dauerndes Kampfkunstprojekt mit intensiverer traumatherapeutischer Ausrichtung durchgeführt werden.

Inter Homines behält sich konzeptuelle Änderungen und Anpassungen, wie sie sich im Projektverlauf ergeben können, grundsätzlich vor.


Durchführung

Der Kampfkunst-Anteil der Gruppe wird von Sifu Michael Schneider geleitet, der seit 1992 eine > eigene WingTsun-Schule führt. Er hat den vierten Lehrergrad und verfügt über Zu­satzaus-
bildungen zum Kids-WT-Fachtrainer sowie WT-Gewaltprävention. Er arbeitete früher auch als Yoga- und Meditationslehrer.

Der psychosoziale Anteil der Gruppe wird von Dipl.-Psychologe und Gestalttherapeut > Dr. Freihart Regner geleitet. Er lernt (mit längeren Unterbrechungen) seit 1994 Wing Tsun bei Sifu Michael Schneider.

Der musische und frauenspezifische Anteil wird von der Musiktherapie-Praktikantin Suk-Young Hwang begleitet. Sie ist studierte Musiklehrerin und Chorleiterin.


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